Das freie Spiel trägt weit – von der Kunst im Employer Branding

von | 24.10.2016

Kunst und Spiel sind unermessliche Quellen der Inspiration und können uns Türen und Tore öffnen, die uns andernfalls ganz sicher verborgen blieben. Und dennoch sind beide für die meisten von uns eher Freizeitluxus als feste Bestandteile des Alltags. Und noch weniger sind Kunst und Spiel für die meisten von uns fest in den Arbeitsalltag integriert.

Bei unseren Recherchen zu der Frage, was die besten Arbeitgeber auszeichnet, sind wir auch auf den Faktor Kunst gestoßen:

Die Drogeriemarktkette dm zum Beispiel stellt mit ihrem unternehmensinternen Programm „Abenteuer Kultur“ eindrucksvoll unter Beweis, wie wichtig Kultur für alle Mitarbeiter, vom Lernling bis zur Führungskraft, ist. Bei dm ist das Theaterspielen eine Pflichtsäule des Ausbildungsprogrammes der Lernlinge, wie die Auszubildenden hier heißen. Aus dem Firmenbranding des Großunternehmens ist das Thema Kultur damit schon lange nicht mehr wegzudenken. Grund genug für uns, die Bedeutung von Kunst und Spiel für Unternehmen – auch in Bezug auf das Employer Branding – genauer unter die Lupe zu nehmen.

Künstlerische Methoden in der Führungs­kräfte­entwicklung

Viele Mitarbeiter, die ihre Ausbildung bei dm gemacht haben, sagen rückblickend, die Initiative „Abenteuer Kultur“ sei „das Beste gewesen, was ihnen passieren konnte.“ [1]

Diese subjektiven Erfahrungen decken sich mit den Ergebnissen jüngster Studien, die vornehmlich aus Schweden und den USA stammen und sich dem Thema Art Based Leadership widmen. So fand eine Studie unter anderem heraus, dass Führungskräfte, die art based agierten, verglichen mit mehr konventionell arbeitenden Führungskräften viele Fragestellungen des Unternehmensalltags deutlich proaktiver angingen.

So waren die Art-Based-Leaders zum Beispiel:

  • entscheidungsfreudiger
  • mutiger, eigene Positionen zu beziehen und dazu zu stehen
  • kreativer in der Lösungsfindung.

Für mich als Coach und Trainerin ist dieser Effekt keine Überraschung:

Ich nutze in Coachings, Trainings sowie in der systemischen Organisationberatung häufig künstlerische Methoden, um die aktive Wahrnehmung meiner Klienten zu vertiefen und ihnen einen Perspektivenwechsel zu ermöglichen. Rollenspiele zum Beispiel ermöglichen es, soziale Erfahrungen auf eine sehr viel intensivere Weise zu erleben, als es durch bloßes Erzählen je möglich wäre. Allein das Nutzen mehrerer Sinne macht hier einen deutlichen Unterschied. Außerdem hilft die Kunst uns manchmal, vermeintlich sehr komplexes auf seinen Kern herunter zu brechen. Eine einfache Zeichnung von Prozessen, Abläufen und Strukturen zum Beispiel kann mitunter eine drastische Wirkung haben, ungeahntes aufdecken und Licht in vermeintlich undurchsichtiges bringen.

Die Kunst und das Spiel bieten uns in diesem Kontext sehr kraftvolle Werkzeuge, die nicht nur effektiv sind, sondern in aller Regel auch Spaß machen. Es stellt sich eigentlich also gar nicht die Frage, ob wir Kunst in unseren unternehmerischen Alltag integrieren, sondern lediglich wo und wie wir das am besten tun – und wie wir sie nicht nur den Führungskräften vorbehalten sondern allen Mitarbeitern zugänglich machen!

[1] Götz W. Werner, Womit ich nie gerechnet habe, Econ, S. 247

Wo Unternehmer mit der Kunst ansetzen können

Wie schon einleitend erwähnt, integriert dm Kunst bereits in sein Ausbildungsprogramm. War das Theaterspielen anfangs auch tatsächlich exklusiv für die Lernlinge gedacht, ist es mittlerweile jedem Mitarbeiter zur Persönlichkeitsentwicklung zugänglich.

Die Idee der Weiterentwicklung ist hierbei meiner Meinung nach entscheidend, denn es geht explizit nicht um klassische Verkaufsschulungen oder die Frage, wie Kunden am effektivsten überzeugt werden können. Vielmehr steht die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit im Mittelpunkt.

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Der Theaterregisseur Marc Vereeck bringt die Idee von „Abenteuer Kultur“ wie folgt auf den Punkt:

„Theaterspielen ist keine Spielerei, wir üben auch keine Verkaufstricks […] Das Theaterspiel ist ein Aufwacherlebnis, die Spieler müssen offene, unplanbare Situationen bewältigen. Wer mal vor 200 Leuten ein Gedicht aufgesagt oder eine Diva gespielt hat, der kann später besser auf Kunden zugehen, aber natürlich auch überzeugend mit seinem Gebietsverantwortlichen argumentieren.“ [1]

Der hohe Zugewinn durch das Spielen kommt zum einen sicher durch die Erfahrung als solche. Das Schlüpfen in eine andere Rolle ermöglicht uns einen Perspektivwechsel, lässt uns auf Facetten unserer Persönlichkeit zugreifen, die uns sonst wohl verschlossen blieben und verschiebt spielerisch so manche Grenze. Das Theaterspielen kann aber weit mehr als das. In dem Buch „Rettet das Spiel“, das der Neurobiologe Gerald Hüther zusammen mit Christoph Quarch verfasst hat, deckt Hüther auf, wie relevant das Spielen für die Ent- und Weiterentwicklung unserer Persönlichkeit tatsächlich ist.

Was beim Spielen im Gehirn passiert

Beim Spielen laufen eine Reihe verschiedener Prozesse ab. Nach Hüther passiert in unserem Gehirn unter anderem folgendes:

Wir sind weniger ängstlich:

Es kommt zu einem verringerten Sauerstoffverbrauch durch eine geringere Aktivität der Nervenzellverbände im Bereich der Amygdala. Das ist die Hirnregion, die besonders aktiv wird, wenn wir Angst haben.

Neue neuronale Vernetzungen entstehen:

Es werden all jene Netzwerke aktiviert, die wir brauchen, um die Anforderungen des Spiels zu lösen. Je komplexer die Aufgabe, desto mehr regionale Netzwerke werden aktiv. Dadurch können neue neuronale Vernetzungen entstehen, was unsere Kreativität steigert.

Das Belohnungssystem im Mittelhirn wird angeregt:

In der Kernspintomographie lässt sich bei Spielenden beobachten, dass das Belohnungssystem im Mittelhirn verstärkt zu feuern beginnt, wenn wir Aufgaben lösen. Spielen macht also Spaß und erhöht unsere Lebensfreude. [2]

Wichtig ist jedoch, dass das Spiel wirklich frei ist, also ohne jeden Druck stattfindet. Nur dann stellen sich die positiven Effekte zuverlässig ein.

[1] Götz Werner, a.a.O., S. 249 f.
[2] Hüther, Gerald, Quarch, Christoph, Rettet das Spiel!, Hanser, 2016

Wie Du Kunst und Spiel in Deinen Unternehmensalltag integrieren kannst

Jedes Wissen ist immer erst dann gut, wenn es auch angewendet wird. Deswegen haben wir im folgenden 6 Vorschläge, wie Du Kunst und Spiel sofort in Deinen Unternehmensalltag integrieren kannst:

1. Theaterspielen:

Theaterspielen ist insofern besonders geeignet, als es keinerlei Vorkenntnisse bedarf. Gleichzeitig sind die positiven Effekte zahlreich: Das Ausfüllen unterschiedlicher Rollen macht Spaß und es werden ganz spielerisch Mimik, freies Sprechen und das Auftreten vor Zuschauern geschult. Einen guten Einstieg bieten zum Beispiel Improtheater, die häufig spezielle Workshops für Unternehmen im Programm haben. Anbieter finden sich mittlerweile zahlreich, ein Beispiel findest Du hier: impro-theater.com (Link: www.impro-theater.com).

2. Rollenspiele:

Setze Rollenspiele zur Findung von Problemlösungen im Unternehmensalltag ein. Nutze zum Beispiel ein Meeting für einen Rollentausch: Wähle ein aktuelles Thema aus und lass dann einen Deiner Mitarbeiter in Deine Rolle schlüpfen und das Meeting leiten. Oder Du gehst einmal ganz aktiv in die Rolle Deiner Kunden und versuchst, Prozesse aus deren Sicht zu betrachten.

Von Apple-Gründer Steve Jobs wird gesagt, er habe sich im Laufe der Produktionsphase immer wieder in seine eigenen Produkte hineinversetzt und ist so mental den Weg von der Entwicklung bis zum Endkunden durchlaufen: Wenn ich das Produkt bin, wie möchte ich aussehen?
Wo möchte ich am liebsten den Anschluss für mein Ladegerät haben, damit es mich nicht stört?
Wie muss ich verpackt sein, um sicher überall anzukommen?
Und so weiter. Ein einfacher Trick, der Dir ganz leicht helfen kann, Schwachstellen aufzudecken, indem Du die klassische „Betriebsblindheit“ austrickst.

3. Betriebsausflüge:

Kunst ist vor allem auch Inspiration. Sie schafft es, uns aus unserem Alltag herauszuholen und unseren Blick zu öffnen. Nutze diesen Effekt und organisiere einen Betriebskulturausflug – Kino, Theater, Museum – wonach auch immer Dir der Sinn steht.

4. Kulturecke:

Richte in Deinen Räumen – neben dem schon fast klassischen Kickertisch – eine kleine Kulturecke ein und laden Deine Mitarbeiter ein, diese mit ihren Lieblingsbüchern, ihren Lieblingsfilmen oder Musik zu füllen. So erschaffst Du einen Ort der Bereicherung, an dem Dein Team frische Kraft tanken und neue Inspirationen finden kann.

5. Austausch:

Schaffe im Intranet oder am schwarzen Brett einen Ort, an dem Deine Mitarbeiter sich zum Thema Kultur austauschen können – Empfehlungen und Tipps weitergeben können etc.

6. Meetings:

Lass das Thema Kunst und Kultur auch in Deine Meetings Einzug halten: Such ein Gedicht oder einen Text heraus, der Bezug zu Deiner Tagesordnung hat und stell diesen als Einstieg zur Themendiskussion an den Anfang.

Hast Du noch mehr Ideen, wie sich Spiel und Kunst im Unternehmen leben lassen? Dann freuen wir uns über Deine Kommentare unter dem Beitrag!

Ich möchte den Text an dieser Stelle schließen mit einigen Worten aus Friedrichs Schillers Briefen „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“, die treffender nicht sein könnten:

„Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“

Herzlichst
Deine Kathrin Scheel

Kathrin Scheel – Expertin für Organisationsentwicklung

Kathrin Scheel

Kathrin Scheel ist Management Executive Coach (ECA), Lehrcoach und Lehrtrainerin (ECA) sowie Trainerin für Führung & Entwicklung. Und sie ist Mitgründerin von zeitsprung. Ihr sind die Einbindung von Führungskräften und Mitarbeitern im Unternehmen sowie deren Entwicklung sehr wichtig.

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